Kawasaki VN 900 Custom

Da mein Geburtstagsmonat Mai näher rückte und das Kribbeln in der rechten Hand, nach dem Verkauf meiner tollen 1250 Bandit einfach so groß war, bin ich mal wieder zum freundlichen KAWASAKI Händler in Ilmenau gefahren, um mir was zu  guten Konditionen auszuleihen. (Übrigens knappe 100€ billiger als vergleichbare Konditionen bei den beiden Suhler Motorradhändlern)
Der Grund warum es zum ersten Mal ein Chopper/Crusier werden sollte, war der:
Bei unseren gemeinsamen Toure bin ich einfach zuuuu oft hinter einem guten Freund mit einer Harley 1200 Sportster mit Klappenauspuff von Jackyl & Hyde gefahren. Man kann den Sound so beschreiben, wie es der Besitzer nach jeder Fahrt mit einem Grinsen beschreibt "Als ob jemand mit einem großen alten Maschinengewehr rumballert- BAPBAPBAPBAP“ :)
Vorallem wenn man durch kleine Dörfer fährt. Wo die Hauswände ganz nahe an der Straße stehen und der nette Harleyfahrer noch bis an den Begrenzungsrand fährt um dann Vollgas zu geben, wird man sogar dahinter noch am Helm durchgeschüttelt. Einfach nur genial der Sound und jeder Biker grinst zufrieden.
Deswegen wollte ich auch mal ne 1700er Chopper fahren, die gab es aber leider nicht und so bestand ich auf die allseits bekannte und beliebte VN 900. Aber die Custom Variante, da ich ja doch schon eher Kurven mag und nicht schon bei geringer Schräglage aufsetzen wollte. 
Diese verspricht durch ihr 21 Zoll großes Vorderrad und den anderen Lenker (durch höhere Riser) mehr "Spritzigkeit". Hmm....spritzig? 280kg? Ich bin etwas skeptisch, weil ich andere Gewichte gewohnt bin, aber naja.
Auf alle Fälle sieht sie schon ziemlich cool aus. Die Mattschwarz-Lackierung mit grünen Zierstreifen am Tank machen was her. Genau wie die schwarzen Slash-Cut Endtöpfe am Ende auch in Schwarz und das tiefe Heck. 

Kurze Einweisung bekommen, auch wenn der Mitarbeiter das selbe dachte wie ich auch "der jungsche Hüpfer auf so nem Bike? Passt irgendwie nicht"
Aber gerade deswegen wollte ich ja mal Testen.

Also rauf aufs Bike, bzw.runter in die Kuhle da man ja nur knapp über der Straße thront. Schlüssel vorne Nähe der Gabel rumdrehen und Startknopf drücken... Bollert sogar ein wenig, trotz Serienauspuff. Auch so macht die 900er einen viel erwachseneren Eindruck als sie eigentlich ist.
Nun die Fuhre noch vom Seitenständer mittig hinstellen, den 1.Gang rein und ab geht es. 
Kaum 10 Meter gefahren und schon kommt ein Kreisverkehr. Haha, was ist denn da los?!?! Nichts mit Legen - hier muss man arbeiten und Drücken.  

Aber gut, bald sind wir ja am Stadtausgang. Der zweite Kreisverkehr klappte schon besser und dann kann ich mal den Hahn aufziehen. Natürlich darf man von knapp 50PS keine Wunder erwarten, wie von einem Powercrusier aller VZ 1800M o.ä. aber die 77Nm machen ihre Aufgabe vor allem im unteren Drehzahlbereich schon wirklich gut, trotz des hohen Gewichts!

Bin also von Ilmenau über Schmiedefeld nach Schleusingen gefahren, um erstmal zur Arbeit zu kommen. Für diese kleine Strecke war die Gewöhnung relativ schnell und einfach. Wenn man weiß (oder spätestens durch ein lautes Kratzgeräusch spürt) ab wann die Schräglage aufhört, kann man die Linie vorher dank des breiten Lenkers (immerhin 90cm) gut wählen. Und die VN bleibt auch auf Kurs.

Der Himmel wird immer dunkler und ich fiebere dem Feierabend entgegen um trocken heim zu Frauchen zu kommen. Endlich ist es soweit, 19 Uhr ab auf den Bock und da es immer dunkler wird -> schnell mal auf die Autobahn Schleusingen nach Suhl. Ja ich weiß, das ist so gar nicht das Gebiet eines Cruisers,kein Wind- und Wetterschutz bla bla....ist mir schon klar, aber ich musste echt schnell heim.
Also kleinmachen und Hahn auf....130....140....150....kaum geht es leicht bergauf merkt man wieder dass es "nur" 50PS sind.... 
ZACK ! nur wenige Kilometer vor mir hat es geblitzt und kommt die schwarze Wolkenwand immer näher...ACH MIST, denk ich mir und mach mich noch kleiner und geb alles.... als es leicht bergab ging und das wie oben beschriebene Heimweh dazu kommt, drückt der kleine 8Ventiler alles was geht und es stehen sogar mal 170 aufm Tacho.

Wieder in der Stadt angekommen, fällt mir ein Vorteil der Cruiser Fraktion immer wieder an der Ampel auf... Durch den langen Radstand (immerhin 1,60m)
kann man von der Ampel eigentlich immer mit Vollgas anfahren ohne ein steigendes Vorderrad oder Ähnliches zu befürchten. Kommt mir in dem Moment ganz gut gelegen. Noch ein paar Wechselkurven Ortsausgang (das große Vorderrad macht sie echt viel handlicher als ich und auch andere Verkehrsteilnehmer es denken) und ich bin daheim. Genau pünktlich - denn jetzt schüttet es wie aus Eimern! HaHa Glück gehabt ;)

Am nächsten Morgen war es zwar immer noch bewölkt aber ohne Regen, also mit Motorrad an Arbeit. Ich muss ja schließlich mein 5 Tage Leihzeit auch nutzen. Also geht Mal geht es schon 45min eher los, ich will nämlich über Altendambach - Themar nach Schleusingen und mein Geburtstags-Leih-Motorrad genießen und fahren fahren fahren. Trotz schnell wechselnder Kurven alles kein Problem für die gute Vulcan, wie sie bei den Amis genannt wird.
Am Schönsten ist das Ansauggeräusch von vorne und das leichte Blubbern aus den schwarzen Töpfen bei Vollast. So fährt man nämlich öfter auch mal 1 oder 2 Gänge über dem eigentlich optimalen Gang, einfach nur um dieses Gefühl und Klangkulisse ganz lang genießen zu können. Lässig. Ohne Zeitdruck und mit wohligen Vibrationen. Achja ist das schön.
Wenn da nicht dieses (mit gerade einmal 103mm) zu kurz geraten hintere Federbein wäre....uff. Ganz schön viele Bodenwellen stoßen mir relativ ungefiltert hart aufn Po, Rücken und so.... Naja erst einmal in Schleusingen angekommen und froh abzusteigen. Wir werden halt alle nicht jünger ;)
Der Seitenständer erfordert übrigens relativ lange Beine um ihn beim Starten wieder „einzufangen“,aber ist bei mir nicht das Problem.

Es ist Männertag und endlich steht die Tour mit Freunden aus meiner "Biker-Familie" an. Da ich natürlich nicht alles ausbremsen will, starten wir die Tour wieder über Altendambach und dann nach Hildburghausen. Hab mir ja gemerkt wann ich wie mit der VN Gas geben kann bzw (mit der nur einen Scheibenbremse) ankern muss.
Kleine Pause in Hibu und was bekomme ich zu hören "Du bist flinker als gedacht" --> Will ich auch hoffen, ich hab schließlich in 2 Haarnadelkruven die sprichwörtliche Kurve gekratzt.
Auch wenn ich sie natürlich auf Anschlag fahren muss, um auf den Geraden mitzuhalten,es ist nicht ihre Art, aber wenn es sein muss, klappt es.
Aber seien wir ehrlich: es müsste sich dann entweder die Leistung ändern oder der Fahrstil um hier Cruisermäßig richtig entspannt zu fahren. So wie es sich eben gehört.

Beim Blick auf dem Tacho (welcher übrigens mit dem Chromring richtig gut auf dem matten Schwarzem Tank mit grünem Streifen aussieht) bemerke ich, dass trotz Arbeitswoche und relativ wenig Zeit zum Fahren schon 850km der möglichen 900 Freikilometer draufstehen :) Also es macht schon Spaß, keine Frage.


Meinen Papa habe ich auch mal mitgenommen. Hintendrauf möchte er aber nicht länger als 1h sitzen, ist halt kein bequemer Tourer. Er würde lieber selber fahren,steht ihm ehrlich gesagt auch hundert Mal besser als mir. Mit seinem dicken Oberarmen und breitem Kreuz (vorallem mit der Bomberjacke) passt er 1a auf dieses Bike und insgeheim wollte er am Ende unserer Tour auch so einen Chopper haben ;) Mal sehen was die Zeit bringt.

Der letzte Tag ist gekommen (leider) und ich muss sie wieder nach Ilmenau fahren und abgegeben.
Es sind tatsächlich 980 freudenbringende Kilometer geworden und für einen 10€ Mehrpreis nimmt der Händler sie zurück (danke nochmal an dieser Stelle)

Was bleibt, sind die Erinnerungen und das Gefühl vom "Easy Rider". Also der komplette Gegensatz zu 600er Drehzahlorgeln oder Superduke. Hier will man nicht immer Erster sein oder letzte Rille fahren. Hier will man einfach Fahren und Genießen. Das dumpfe Ansauggeräusch sowie das Blubbern des Auspuff hören und...seien wir ehrlich den coolen Auftritt beim Aufsitzen , Starten und Wegbollern genießen. Ich habe übrigens bei noch keinem anderen Bike so oft in der Landschaft umhergeschaut als mit diesem Motorrad.


Fa(h)rzit:

Ich finde die Vn900 ist zu Recht die wohl meistverkaufte und auch beliebteste Chopper unter 1000ccm. Sie sieht aus wie eine Große,hat ausreichend Kraft um die meisten PKWs beim Sprint abzuhängen, eine gute Reichweite (mein 20Liter Tank hatte mal 340km ausgehalten) und macht optisch was her. Natürlich sind die Maßnahmen der Veredelung. Um sie noch „erwachsener“ wirken zu lassen, ist mein Tipp ganz klar: andere Endtöpfe! 
Hinzukommt, dass der (ACHTUNG sieht nur luftgekühlt ist aber flüssigkeitsgekühlt) V2 einen schönen Drehmomentverlauf hat und wirklich langlebig ist. Hätte mein Bekannten an der Ampelkreuzung kein rot-blinder PKW Fahrer übersehen und umgenietet (keine Angst,außer Schulterbruch nichts schlimmeres passiert), hätte er seine VN mit über 60Tkm immer noch.
Aber so hat er die oben beschrieben Harley 1200 mit dem HAMMERSOUND, also doch irgendwie ein Happy End :)


Wer sich übrigens jetzt denkt, dass er sich so ein Gefährt zulegen möchte, aber die 900er zu wenig Leistung hat,dem sei der Geheimtipp: VN 1500/1600 MEAN STREAK nahegelegt!